Prof. Götze aus Kiel hat lange Zeit in den Alpen und in den Anden geforscht und gearbeitet, und er war 2021 schon einmal mit seinem Alpenvortrag bei uns in Göttingen. Diesmal nimmt er uns mit auf seine spannende Reise in die Anden und wieder wird er interdisziplinäre Forschungsergebnisse in Karten, Schnitten durch den Untergrund und computergestützten Animationen mit Landschaftsfotos des Autors verbinden. Seinen Vortrag beschreibt er wie folgt:
Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang ist die Innenseite des Zeltes mit einer dünnen Eisschicht überzogen: die Feuchtigkeit der Atemluft hatte sich während der Nacht dort niedergeschlagen und war bei den draußen herrschenden Temperaturen von minus 12 Grad Celsius zu Eis erstarrt. Wir befinden uns in 4.400 m Höhe in den Zentral-Anden nahe der chilenisch-bolivianischen Grenze und gehören zu den Geowissenschaftlern des Sonderforschungsbereichs 267 mit dem Titel "Deformationsprozesse in den Anden". In der eisigen Morgenluft des anbrechenden andinen Herbsttages fällt es schwer, sich vorzustellen, dass uns unser Vierrad-angetriebenes Geländefahrzeug in nur drei, vier Stunden wieder in eine Region bringen wird, in der es auch im Herbst tagsüber noch "mollig warm" werden kann: in das Gebiet des „Salars de Atacama“ - gut 2.000 Meter tiefer gelegen - eines riesigen Salzsees, der in der trockensten Wüste der Welt liegt - der Atacama-Wüste.
Die Entwicklung der mehr als 4.000 km langen andinen Gebirgskette am Westrand des südamerikanischen Kontinents begann vor ca. 200 Millionen Jahren, als Folge einer bis heute andauernden Kollision der ozeanischen Nazca-Platte im Südpazifik und der mächtigen Platte, die Südamerika zusammen mit großen Teilen des westlichen atlantischen Ozeanbodens umfasst. Beim Aufeinandertreffen dieser gigantischen Massen der äußeren Erdschale (Lithosphäre) wird die „schwerere“ pazifische Platte unter die „leichtere“ südamerikanische Kontinentalplatte gezwungen, die sich dabei in den letzten Millionen Jahren hoch aufgetürmt hat. Dabei sind mit der Heraushebung der Anden auch zahlreiche Phänomene verbunden, die den dort lebenden Menschen nicht nur eines der imposantesten Gebirge der Erde beschert haben, sondern auch unsägliches Leid über sie brachten - bis in die heutige Zeit: Es ist hier von den großen Erdbeben (z.B. Valdivia 1960 oder Concepción 2010), den dabei beobachteten Riesenwellen an der Pazifikküste (Tsunamis, 1960, 2007, 2010) und verheerenden Ausbrüchen der Andenvulkane im pazifischen „ring of fire“ die Rede. Trotz einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte zeichnen sich die Segmente der andinen Gebirgskette durch extreme Gegensätze in Bezug auf ihre Breite, Höhe und Klimabedingungen aus. Damit geht eine Abnahme der Erdkrustendicke von 70 km unter den Zentralanden auf ca. 40 km unter den Südanden einher. Zum Vergleich: die Erdkruste unter Schleswig-Holstein hat „nur“ eine Mächtigkeit von ca. 30 km.
Die virtuelle, geophysikalisch geprägte Reise beginnt am Pazifik, geht durch die Hoch- und Ostkordillere bis an den östlichen Rand der Anden; die PC-Animationen und Reisefotos zeigen Menschen und Landschaften, vermitteln aber auch Einblicke in die geophysikalischen Forschungen und Ergebnisse - in einer bunten, abwechslungsreichen Mischung.
Ort: Historische Sternwarte der Universität Göttingen, Geismar Landstraße 11
Termin: Montag, 16.09.2024, 18:00 Uhr
Der Eintritt ist frei.